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14.11.2016

VBE: Gewalt gegen Lehrkräfte ist nicht ihr Privatproblem

forsa-Umfrage „Gewalt gegen Lehrkräfte“

„Wenn zwei Drittel der befragten Lehrkräfte beim Thema Gewalt gegen Lehrkräfte mehr Engagement und Schutz von ihrem Dienstherrn erwarten, ist das ein Alarmsignal an die Politik! Gewalt gegen Lehrkräfte wird häufig als jobimmanent abgetan und kleingeredet. Es ist skandalös, so zu tun, als sei es Bestandteil des Berufes, sich beleidigen, belästigen und körperlich angreifen zu lassen“, kommentiert Udo Beckmann, Landesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung, die heute in Düsseldorf veröffentlichte repräsentative forsa-Umfrage „Gewalt gegen Lehrkräfte“, die der VBE in Auftrag gegeben hatte.

Der Ton in der Gesellschaft werde immer rauer, die Sprache verrohe, Konflikte eskalieren schnell und werden mit harten Mitteln ausgetragen, Autoritäten werden nicht mehr anerkannt. Diese gesamtgesellschaftliche Entwicklung mache auch vor der Schule nicht halt. 59 Prozent der befragten Lehrkräfte sagten, dass es an ihrer Schule in den letzten fünf Jahren Fälle gab, in denen Lehrkräfte direkt beschimpft, bedroht, beleidigt, gemobbt oder belästigt wurden. Selbst von psychischer Gewalt betroffen waren ein Viertel der Befragten.

Über Fälle an der Schule, in denen Lehrkräfte körperlich in den letzten 5 Jahren angegriffen wurden, wussten 25 Prozent berichten. Selbst Erfahrungen mit körperlicher Misshandlung, zum Beispiel schlagen, schütteln, stoßen, treten, boxen, mit Gegenständen werfen, an den Haaren ziehen, mit den Fäusten oder Gegenständen prügeln haben acht Prozent der befragten Lehrkräfte gemacht. Der Landesvorsitzende macht deutlich: „Acht Prozent von rund 155.000 an Schulen beschäftigten Lehrkräften sind 12.400 Lehrerinnen und Lehrer, die tätlich angegriffen wurden. Wir lassen uns nicht mehr erzählen, dass Gewalt gegen Lehrkräfte Einzelfälle sind. Erschütternde Gewissheit ist: Das sind sie nicht. Es sind 12.400 zu viel.“

Auch Cybermobbing wird ein immer größeres Phänomen. 78 Prozent der Befragten sehen eine Zunahme von Formen des Mobbings über das Internet. Fast jede dritte befragte Lehrkraft gab an, dass es Fälle an der Schule gab. Beckmann: „Medienkompetenz ist wichtig, um Schülerinnen und Schüler ein Unrechtsbewusstsein für Cybermobbing zu vermitteln.“

„Gewalt gegen Lehrkräfte“ wird von 55 Prozent der Befragten als Tabuthema angesehen. So ist es auch zu erklären, dass 15 Prozent der Befragten angaben, dass sie bei psychischen Angriffen durch Schüler nichts unternommen haben. Erfolgte der psychische Angriff durch Eltern, geben sogar 30 Prozent der befragten Lehrkrafte an, den Vorfall nicht gemeldet zu haben. Beckmann kommentiert: „Gewalt gegen Lehrkräfte wird zum Privatproblem erklärt. Fehlende Unterstützung der Verantwortlichen, Zweifel an der Erfolgsaussicht und die Angst vor Konsequenzen verhindern die konsequente Meldung und Verfolgung von psychischen und physischen Angriffen. Der Dienstherr muss sich schützend vor und vor allem unterstützend hinter die Lehrkräfte stellen.“

Der Bundesvorsitzende stellt klar: „Viel zu oft wird das Problem kleingeredet. Die schlimmste Relativierung: `Das gehört halt zu Ihrem Job.´ Außer professionellen Kampfsportlern ist mir keine Personengruppe bekannt, zu deren Job es gehört, sich psychisch und physisch angreifen zu lassen.“

Präventiv könnte neben Gesprächen mit den Schülern, einem Schulkodex und Kooperationen mit der Polizei und externen Institutionen vor allem das Arbeiten in multiprofessionellen Teams und in ausreichend großen Räumen wirken. Allerdings werden diese Gelingensbedingungen von der Politik verweigert. Während 71 Prozent der Befragten die Zusammenarbeit mit multiprofessionellen Teams als sinnvoll für die Gewaltprävention erachten, arbeiten nur 47 Prozent der Lehrkräfte so. Beckmann empört: „Das ist ein vom Bildungsministerium geschriebenes Drama, in dem die Lehrkräfte fünf Rollen auf einmal spielen sollen. Es besteht dringender Handlungsbedarf.“

Dass die Politik reagieren muss, zeigt sich auch an diesem Ergebnis: 45 Prozent der Befragten erwarten von der Schulverwaltung und 62 Prozent der Befragten von der Landesregierung und dem Schulministerium, dass sie mehr unterstützt und besser geschützt werden.

Wir fordern:

• Gewalt gegen Lehrkräfte darf kein Tabu-Thema mehr sein.

• Die Dokumentation von Vorfällen hat verpflichtend zu erfolgen.

• Statistiken müssen geführt und veröffentlicht werden.

• Die Lehrkraft muss die volle Unterstützung des Dienstherrn erhalten.

• Entwicklung klarer Strukturen, an wen sich Lehrkräfte wenden können und was nach einem Übergriff zu tun ist.

• Unterstützung der Schulen durch multiprofessionelle Teams.

• Ein breites Fortbildungsangebot.

• Vermittlung von Medienkompetenz als Prävention gegen Cybermobbing.

 

Anlagen:

Ergebnisse der repräsentativen Lehrerbefragung

Auswertung Nordrhein-Westfalen

Landespressekonferenz, Vorstellung, Sprechzettel Udo Beckmann


Pressemitteilung 45-2016
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